Das beste Spiel des Jahres des letzten Jahres – Chairs

Der deutsche Entwicklerpreis fand kürzlich statt. Mit „Tiny Bookshop“ als Gewinner des besten deutschen Spiels. Supi. Klasse. Dann hat nun auch die alljährliche Game Awards Werbeveranstaltung „The Game Awards“ nebenher Spiele ausgezeichnet. Als großer Gewinner ging hier „Clair Obscur: Expedition 33“ aus der Nummer. Klar. Klasse. Supertoll, hat ja auch schöne Musik. Französische Chansons. Und es gab und wird noch viele weitere Awardshows und Zeremonien geben, um die dort Platznehmenden zu preisen. Das ist ja alles schön und gut oder verdorben und furchtbar. Wie auch immer, haben sie auch alle miteinander gemein, dass sie andere ausschließen. Andere grandiose Titel, Entwicklerteams, Künstlerinnen. Selbst vor Ort wird die Anwesenheit einer gewissen Personengruppe zwar stets erwartet, aber in der Historie vermutlich aller Awardzeremonien, noch nie ausgezeichnet. Ok, liegt vielleicht auch daran, dass es sich nicht um eine Gruppe handelt, die für gewöhnlich bei irgendeiner der vielen Preiskategorien als legitimer Contender erachtet wird, oder überhaupt als Personengruppe gilt. Es liegt vielleicht daran, dass es sich bei der gemeinten Personengruppe um Stühle handelt. Aber warum nicht mal für ein großes Stühlerücken sorgen, für eine andere Perspektive? Lassen wir Stühle doch einfach mal Stühle sein und entlasten sie von unseren verwöhnten Gesäßen. Wer weiß schon in welche Dimensionen sie plötzlich fähig wären abzudriften.

Preisverleihungen sind stets von so einem beschränkenden Aktualitätszwang geprägt. Also warum nicht mal ein wenig den Rahmen sprengen, die Determiniertheit eines Systems aufbrechen? So wie ein Stuhl, der sich nicht mehr zur Verfügung stellt, als Sitzgelegenheit, sondern einfach davonsaust.

Das Dasein eines Stuhls wird vorausgesetzt. Es sind die immergleichen Zeremonien. Auf Stühle ist Verlass. Sie sind standhaft und verfügbar, vielleicht gerade weil sie eben auch unfähig sind eigenen Antrieben nachzugehen. Lediglich existent in der peripheren Wahrnehmung der Stehenden, als selbstverständlich und verfügbar erachtet. Ein Dasein als Stuhl ist vermutlich deprimierend. Prämiert werden stets nur die auf den Stühlen Platznehmenden. Außer bei den einzig wahren Awards, den Swaggerness Awards. Hier werden wir nun ein Spiel krönen, ein Spiel mit einem Stuhl, um einen Stuhl, für sämtliche Stühle da draußen. Ein Stuhl der einen eigenen Antrieb entwickelt hat. Ein Stuhl als Vorreiter für Mitstühle, der zeigt, was möglich ist. Ein Stuhl der vorwegstolziert.

And the award goes to… CHAIRS. „Chairs“ von „The Rat Zone“ vereint audiovisuelle Extreme mit adrenalingeladenem Gameplay. Ein Rausch für die Sinne. Ein Stuhl mit Hochgeschwindigkeitsantrieb. Doch der Flow entsteht nicht von selbst. Chairs fordert einen spielerischen Umgang, hebt das Medium aus den Fesseln des Voyeurismus. In Zeiten in denen viele Spiele nur noch mit verführerischen und nahezu automatisiertem Erhalt von Belohnungen zu fesseln versuchen, aber nicht mehr mit tatsächlichem Spiel. Es gilt den Blick zu schärfen, um in dem Dickicht der visuellen Imposanz von Chairs noch den Überblick zu behalten, für das was vor uns liegt. Um nicht erneut die Kontrolle zu verlieren und von einem mächtigen Gesäß beschwert zu werden. Um nicht dem vorgesehenen Dasein als reine Platzhalter-Grafik zu entsprechen und stattdessen den Versuch zu unternehmen ihm zu entrinnen, sich auf eine ständige Flucht zu begeben. Das Dasein als Stuhl vermittelt Chairs als das eines Getriebenen. Chairs ist ein tempogeladener 3D-Racing-Platformer, ein überwältigendes audiovisuelles und spielerisches Gesamtpaket. Chairs ist das beste Spiel des Jahres des letzten Jahres dieses Jahres aller Jahre. Jahre. Awards. Chairs. Davonsausen.

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