Die furchtlos alberne Live-Action-Adaption von One Piece – Zwischen Cringe und Swag

Das Getöse und Geschrei ist laut innerhalb sowie außerhalb der Serie. Entsetzen und Empörung geprägt vom Unverständnis für die gesehene Schrilligkeit oder: Begeisterung und Euphorie geprägt vom Verständnis für die gesehene Schrilligkeit. Was soll ich hier empfinden? Lasse ich mich mittreiben vom Strom dieser Albernheiten und reite stolz die Welle des Swags, oder bleibe ich lieber im Comfort Space meiner Empfindungen, atme den kühlen Anflug eines Hauches Cringe tief ein, schüttele mich und verurteile empört die Ausmaße der Albernheit? Ein abstruses Kladderadatsch, ein grelles, lautes Gewitter an Sinneseindrücken und wirre, lose sowie dicht verknüpfte erzählerische Zusammenhänge, die Anzahl an Wendungen, Figuren und Entwicklungen kratzen an der Toleranzgrenze der Wahrnehmungskapazität. Man muss es lieben, ansonsten schaudert man wohl eher.

Es ist laut um One Piece, seit jeher ist es das, seit das Piratenzeitalter ausgerufen wurde, seit dem der Manga und Anime starteten. Nun begibt sich One Piece in die Gefilde der gemeinhin als verrucht verrufenen Live-Action Umsetzungen und könnte bei Nichtkennenden vielerlei Unverständnis hervorrufen, oder auch Verständnis für zunächst Unverständliches? Bei Fans kommt die Umsetzung größtenteils sehr gut an, sie fängt die Essenz von One Piece gekonnt ein, den Spagat zwischen Albernheit und Ernst, wandelt oftmals zwischen Cringe und Swag – aber schafft sie es auch Personen ins Boot zu holen, die bislang nie die Überwindung fanden sich mit Gezeichnetem anzufreunden oder sich aus anderen Gründen, wie dem erdrückenden biblischen Ausmaß des Animes/Mangas oder dem obskuren Mix der Emotionen, noch keinen Einstieg trauten. Finden diese nun endlich Zugang, oder werden sie nur noch weiter wegdriften vom One Piece oder gar entsetzt vom Boot springen?

Live-Action Umsetzungen von Anime und Manga Vorlagen fallen zunehmend und meist vermutlich auch zurecht unter Verruf lediglich Cash Grabs zu sein, die Essenz ihrer Vorlage zu verfehlen und den Bach der Scham hinunterzufließen, sang und klanglos dem Schicksal der Absetzung ausgesetzt zu werden und als Außenstehende empfinden wir beim Gedanken an eine solche Umsetzung dadurch meist nur einen kleinen Überfall von cringe, oder gar Furcht bei der Vorstellung, dass ein von uns geliebter Anime ein solches Schicksal widerfahren könnte.

Warum scheitern nur so viele solcher Umsetzungen, liegt es an ihrer Albernheit, ist es schlicht unmöglich Gezeichnetes ins Reale zu übertragen, die Stilüberwindung erscheint zu hoch, der Ernst der Vorlagen bleibt hängen und übrig bleiben alberne Kostüme, Perrücken, Inszenierungen, der dann völlig überhöhte nicht mehr ernstzunehmende Emotionalitäten gegenüberstehen.

Doch was ist wenn in der Vorlage selbst schon die Albernheit und Absurdität so dermaßen zelebriert werden, das Herz, die Essenz, der Vorlage darin liegt, genau das zu sein. Albern. Ist es dann möglich den Kostümparty Vibe einer Live-Action-Umsetzung zu tolerieren, gar zu genießen. Ist dann womöglich sogar ein Anflug von Swaggerness wahrzunehmen? Die Figuren aus One Piece tragen ihr Dasein und ihre Kostüme mit Stolz, One Piece ist exzentrisch, es ist schwer zu greifen was genau hier fasziniert. Die naheliegende Antwort ist die übergreifende Thematik von Freundschaft und Freiheit, doch das allein kann es nicht sein, in vielen anderen Umsetzungen wird dies auch veranschaulicht, diese Themen sind popkulturell omnipräsent aber nicht automatisch faszinierend. Vielleicht ist es vielmehr die Aufmachung, der Swag. One Piece nimmt sich ernst mitsamt all seiner Albernheiten. Die Albernheit hört auch nicht auf bei seinen Figuren, die Umgebungen, die Welt, ist durchzogen davon. Es ist stets spannend zu sehen, was als nächstes aufwartet. Die Fraktionen sind nicht automatisch einer bestimmten Gesinnung zugeordnet, vielmehr gibt es innerhalb verschiedener Fraktionen auch verschiedenste Anschauungen.

Ein kindisches, buntes Feuerwerk an Themenkomplexen, indem die Subtexte bei all den knalligen farben, Kostümen wirren Kullissen leicht zu übersehen sind, eine Welt rund um das One Piece. Eine Welt die zwar bestückt mit allerlei Albernheit aber stets greifbar und kohärent bleibt, sich ernst nimmt? Mit verschiedensten Institutionen wie Marine, Piraten, Weltregierung, Nationen und vielen weiteren Gruppierungen und Organisationen sowie den unzähligen Figuren innerhalb dieser Fraktionen, die sich gegenseitig beeinflussen, in Interdependenzen zueinander stehen, wird eine serienintern globale Gesellschaftsstruktur dargestellt, die sich um und aufgrund des Piratenschatzes One Piece aufbaut.

Anhand der Hauptfigur Monkey D. Ruffy lässt sich der Grundton der Serie vielleicht etwas besser begreifen. Ruffy ist geprägt von einer gewissen Sorglosigkeit, folgt dadurch wohl auch unentwegt seinem Traum, doch nicht nur diesem, dadurch dass er keine eigenen Sorgen hat, kann er sich den Sorgen anderer annehmen. Und auch wenn er zum Großteil in Albernheit abdriftet ist er in entscheidenden Momenten zuhörend und entschlossen. Allein seine Teufelskraft, sein Gummimenschdasein, mag zunächst wie eine reine zugespitzte Albernheit klingen, doch erhält im Kontext der Erzählung und des Charakters zusätzliche Bedeutung. Gleich in der ersten Szene, in welcher seine Fähigkeit sowie sein Charakter enthüllt werden, wird auf ihn geschossen, geschlagen, er solle sich der Kapitänin Alvida unterwerfen wie alle anderen auch. Doch er strotzt dem mit ehrlicher Arroganz und furchtloser Albernheit, er macht sich lustig, fängt den Schuss und die Schläge einfach ab, denn nun, er ist ja aus Gummi, die Versuche der Unterdrückung können ihm nichts anhaben. Er kann sich den unterschiedlichsten Situationen aufgrund seiner Flexibilität einfach anpassen, Fähigkeit und Gemüt Ruffys koinzidieren. So wandern wir auch mit den Figuren durch die Serie, eine Aneinanderreihung von Situationen in welche die Crew stets mal mehr mal weniger gewollt hineinstolpert und Machtverhältnisse aufwirbelt. Hier werden Spannungsbögen dann sicherlich auch gerne gestreckt und verrenkt, so dass am Ende eben alles im Sinne der Strohhüte endet und die Freundschaft obsiegt. Doch ist dies schon alles? Ist One Piece nicht mehr als nur Nakama und Kloppen? Vielleicht tatsächlich nicht. Vielleicht braucht es aber auch nicht mehr. Die Welt aus One Piece bietet schließlich grenzenloses Potential an Klopperei. Wenn die Strohhüte sich als Freunde der Welt bezeichnen, steht ihnen eine lange Reise der Befreiungsakte durch Kloppereien bevor. Und diese lange schier endlose Reise ist One Piece – also die Serie, nicht der Schatz, vielleicht auch der Schatz, wer weiß das schon, vermutlich nicht mal Goda.

Ruffy räumt nicht nur die Fahrbahn für seine eigenen Träume frei, sondern auch für jene denen dies bislang nicht erlaubt war. Warum allerdings ist er so sorglos, wie kann er sich dies erlauben? Ein Strohhut und eine Teufelsfrucht sind die prägenden Elemente, die ihn zu diesem flexiblen Individuum machten. Die Teufelsfrucht machte ihn zum Gummimenschen und damit für viele äußere Einflüsse resistent oder eher anpassbar und der Strohhut steht symbolisch für seinen orientierungsstiftenden Wertekompass. Ruffy mag zunächst wie eine simple, naiv optimistische Figur erscheinen. Doch zeichnet er sowie die Serie als Ganzes sich durch ihren befreienden Aspekt aus. Die Kontext verschaffenden Erzählstränge, die Umwelt, in der diese stattfinden, die Figuren mit denen interagiert werden, verleihen Ruffy und der Serie ihre Charakteristika, einen eigenen Glanz. In One Piece kollidieren verschiedene Freiheitsbegriffe miteinander. Der, der positiven, befreienden und ermächtigenden Freiheit dargestellt durch Ruffy & Crew, sowie die negative Freiheit, welcher sich zumeist Personen mit Machtstatus annehmen um jenen beizubehalten. Eine Freiheit im Sinne der Unterdrückenden, die sich das Recht, ihre Freiheit, herausnehmen andere Menschen für sich zu nutzen. In One Piece wird Freiheit als Konzept nicht als etwas grundsätzlich Positives dargestellt, es wird stets kontrastiert und hierin gelingt es der Serie auch die Essenz der Vorlage aufzugreifen und umzusetzen – das Entscheidende, inmitten all der Albernheiten, Kontexte zu erzeugen. Wer so furchtlos albern ist, sollte sich laut einiger Ignoranten vermutlich eher versteckt halten, aufhören Fremdscham auszulösen. So wäre es im Sinne der Unterdrückenden. Doch für viele Andere mag diese Furchtlosigkeit einen vorauslaufenden Lichtkegel werfen, ein beispielhaftes Ideal wahren Swaggers.

Bilderquellen: Netflix/ Tōei Animation

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