The Quarry und die Überwindung der Klischees?

The Quarry ist nun Teil des PS Plus Spielekatalogs. Also endlich eine Überwindung wert, es doch einmal zu spielen? Um mal zu schauen wie der Hase läuft? Man denkt, man wüsste es bereits. Die Vorurteile diesem Spiel gegenüber überwiegten stets. Klassischer Teenie-Horror-Kitsch zum Zusehen, ein paar wegweisenden Entscheidungen und QTEs. Meine vom Überlegenheitsgefühl geplagte naive Einstellung dem Spiel gegenüber sollte sich noch stark ändern. In vielerlei Hinsicht werden auch hier Klischees verarbeitet und durchaus zelebriert, aber es ist auch ein bisschen mehr.

The Quarry kann mit „die Gejagten“ sowie „Steinbruch“ übersetzt werden. Den Spielkontext betrachtend sind beide Bedeutungen zutreffend. Als Gejagte stolpern wir auf so einige Hindernisse hinzu, die es zu überwinden gilt. Als Steinbruch gilt die Hindernis gebende Kulisse. Doch vorerst gilt es, die eigenen Klischees zu überwinden. Denn wir wissen ja aus der guten alten Teenie Horrorfilmschule, dass Figuren, die nicht über ihre Klischees hinaus charakterisiert werden, sterben. Ähnlich verhält es sich auch in diesem Spiel. Nur eben, dass die Möglichkeit besteht, dass die Klischeefiguren, ihren vermeintlich vorbestimmten Klischeetod, überwinden können. Somit ist eine Charakterisierung der Figuren, die ein wenig über das Klischee hinaus geht, möglich – aber nicht Zwang.

Wir spielen eine Reihe an Sommercamp-Betreuer:innen in abwechselnder Reihenfolge und bester spätjugendlicher Blüte. Hormongeladene Dialoge, forcierte Happenings, etc. sind dabei alle vorprogrammiert und stattfindend. Gekappte Telefonleitungen, ein abgelegenes Camp im Funkloch ohne Anbindung an Zivilisation, Personen, die sich von der Gruppe abspalten und alleine in dunkle Wälder rennen, Missverständnisse durch vorbehaltene Informationen. Für den dramatischen Effekt zurechtgebogene Handlungsbögen und Ereignisse sowie Verschwiegenheitsklauseln von Charakteren, die wenn sie ihr Wissen teilen würden, die vorgesehene Handlungskette zerreißen würden, sind in The Quarry stets präsent. Doch darum soll es hier nicht gehen, sondern um die Figuren die in diesen klischeebasierten und erzwungenen Horrorrahmen so oft stattfinden und deren Handeln. Denn über deren Handlungen sollen wir als Spielende größtenteils entscheiden dürfen. Auch hierbei gibt es zwar klare strikte Begrenzungen, doch ist es immerhin möglich jede spielbare Figur durch diesen spielbaren Film lebend hindurchzuleiten, oder eben auch keine. Vorerst mag das Spiel dementsprechend der klassischen Horrorfilmstruktur mit einer schnellen voreiligen und eben klischeehaften Charakterisierung der Figuren ähneln. Darauffolgend liegt es allderdings an uns als Spielende, ob wir einer Figur mehr Raum geben sich zu entfalten, in der Dialog- und Handlungsauswahl, ob wir es schaffen sie am Leben zu halten, oder ob wir sie weiterhin so spielen, dass sie ihrem Klischee entsprechen.

Bei manchen Figuren bleibt es auch einfach beim Klischee, da ändern auch die Dialogoptionen nichts and ihrem Charakter, allerdings dürfen diese dann zumindest ihr Klischee freigiebig ausleben. Wir dürfen mit ihnen zumindest auf der handelnden Ebene ihrem Klischee entweichen. Charakterlich mögen sie so zwar noch ihrem Klischee entsprechen, doch ihre Rolle innerhalb der Geschichte erweitert sich und sie dürfen in ihren Handlungen mehr sein, als nur ihr Klischee.

So können wir die oberflächliche und vom Geltungsdrang getriebene Influencerinfigur dabei beobachten wie sich selbst filmend auf den eigenen Tod hinzu bewegt, sie jedoch auch in ihrer Selbstinszenierung bestärken und einen heroischen Alleingang gegen die Monstrosität herbeiführen, diese besagte Monstrosität dann auch noch abfilmen, somit Beweismaterial beschaffen, und ihr eigentliches Klischee der Bildschirmbezogenheit überwinden bzw. für einen nützlichen Zweck umwandeln. Doch vielleicht bedeutet gerade diese Behandlung eines Klischees, die Überwindung jener. Die Herangehensweise in The Quarry bezüglich seiner Klischees ist nahezu eine zelebrierende. Die Klischees wirken hier weniger dehumanisierend, eher gegenteilig. Eine mögliche Überwindung der Klischees wird hier nicht als die Bereinigung oder Auslöschung von Klischees betrachtet, sondern eher als ein Aufarbeiten und ein darüber Hinausschauen.

Die Überwindung und Aufarbeitung von Klischees mag eine schmerzhafte Auseinandersetzung sein, doch sie ist nur möglich wenn wir am Ende nicht beleidigt und vereinzelt das gemeinsame Lagerfeuer verlassen und in einen dunklen beunruhigenden Wald irren. Denn die Überwindung ist möglich, wenn das Überleben gewährleistet ist. Wenn das Klischee ist, dass die klischeebehaftete Figur stirbt, ist das Überleben dieser Figur die Überwindung des Klischees. Es könnte allerdings auch andersherum gedacht eine Überwindung möglich sein, denn das Nichtüberleben einer jeden spielbaren Figur, wäre irgendwo, auch eine Überwindung der Klischees. Wenn wir sie einfach nacheinander ins Messer laufen lassen – bis kein Klischee mehr übrig ist. Nun ist es paradox. Vielleicht ist es also einfach nur die Offenheit des Ausgangs, die Möglichkeit Entscheidungen, eine Wahl, treffen zu dürfen, wodurch die Klischees überwunden werden. So oder so, hierin unterscheidet sich und überwindet The Quarry den klassischen Klischeehorror, obwohl es sich bewusst als solchen inszeniert und spielt.

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