Zwischen den Grauzonen, ein Angelplatz – Sonic Frontiers

Schwarz oder weiß? Gut oder böse? Richtig oder falsch? Das Dazwischenliegende erhält immer mehr Relevanz, das Oder wird zur Antwort. Wir sollen den Grauzonen mehr Beachtung schenken, zwischen den Zeilen lesen. Doch auf manche, vielleicht sogar viele Fragen gibt es eben doch klare Antworten, klare Positionen. Wohin könnte ein ständiges Relativieren durch Grauzonen-Betreten führen? In der neuen offenen Spielwelt von Sonic Frontiers erhalten wir einen Blick auf die nüchterne Gewalt von Grauzonen. Die Spielwelt ist eine unbelebte, trübselige, graue Masse, bestülpt mit Konstruktionen und Ruinen vergangener Zivilisationen. Es ist eine einzige riesige Grauzone, im wörtlichen sowie bildlichen Sinne. Eine nichtsaussagende, tote und lediglich noch von Algorithmen und Maschinenwesen bevölkerte Welt. Aber ist das Spiel nun gut oder schlecht? Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen!

Open Worlds fordern uns ständig dazu auf Dinge zu erledigen. Sammel hier bitte ein paar Beeren für mich ein, beseitige hier ein Banditencamp, hier ein erklimmbarer Spähturm, da ein Riesenroboter der die Ländereien tyrannisiert. Werd einfach all die Marker, die ich auf der Weltkarte für dich platziere bitte los. Grauzonen halten uns dazu an, nochmal über Sachverhalte nachzudenken, Positionen zu überdenken und zu berücksichtigen. In vielerlei Hinsicht kann dies überfordern, so wie die schiere Masse an Nebenaufgaben, Pakourrätseln und gegnerischen Camps dieser offenen Spielwelt. Allerdings ist es hier auch möglich geradezu in einen Erledigungsflow zu geraten, der Sprint von einer Aufgabe zur nächsten fällt leichtens von der Hand, wenn Kenntnis über Steuerung und Herangehensweise erlangt sind. Bevor ein solcher Flow-Moment jedoch eintritt ist es gut möglich eher einen Erledigungsstress zu fühlen.

Wenn die Größe, Imposanz und „Arbeit“, die in der offenen Spielwelt auf einen wartet, zu sehr erschlägt, man in eine Entscheidungsparalyse bei der Vielfalt an optionalen sowie obligatorischen Aufgaben fällt, oder schlicht und einfach keine Lust hat, auf all das Getreibe und Gerenne – dann ist es tatsächlich möglich sich für einen Moment aus der anstrengenden grau bewölkten Spielwelt herauszunehmen und sich mittels Portal unter den klaren wärmenden Himmel eines Orts des Lebendigen zurückzuziehen – den Angelplätzen.

Zwischen all dem Trubel innerhalb der Grauzonen, der Wirrungen und Anstrengungen, sind stets solche Angelplätze der Klarheit versteckt. Sie dienen jedoch nicht nur als ledigliches Gimmick, als einfacher Rückziehort. An den Angelplätzen lassen sich auch die für den Spielfortschritt benötigten Ressourcen erangeln und ermöglichen es somit den Anstrengungen der Open World aus dem Weg zu gehen. Hier erhalten wir die Option anzuhalten, durchzuatmen, ohne „Zurückzufallen“, das Anhalten wird hier zu einer Fortschrittsoption. Obwohl wir nur am Angelplatz chillen, Köder auswerfen und grillen, progressieren wir. Wir gehen dem Erschöpfungspotenzial der Open World aus dem Weg ohne die Teilnahme an ihr zu verwerfen. Es ist eine erleichternde Alternative, die zugleich auch zur Ausgeglichenheit des Flows beiträgt. So sehr es auch Spaß macht den blauen Igel bei rasenden Hochgeschwindigkeiten durch die Welten zu manövrieren, braucht es auch irgendwann einen Erholungsmoment, eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Dank des Angelplatzes lässt sich Sonic Frontiers auch stillstehend durchspielen.

Mittels des Angelplatzes als einzig „lebendigen“ Ort in Sonic Frontiers wird ein helltönig idyllischer Hort der Entschleunigung und Entspannung dem anstrengenden Grau der Open World entgegengesetzt. In der restlichen Spielwelt begegnen wir lediglich Maschinen, Hüllen und Projektionen unserer Freunde die es aus der Gefangenschaft des Grauen zu befreien gilt. Auf dem Angelplatz begegnen wir zunächst Big einem großen und tiefenentspannten Kater, der uns zum Angeln einlädt. Zudem ist hier noch ein gewisses Maß an Biodiversität gegeben. Auch mittels musikalischer Untermalung wird auf dem Angelplatz kontrastiert. Hier wird mit dem Track „Fishing Vibes“, ein monotoner Lofi Beat, dem sonst hetzend treibenden und lauten Drum & Bass, Electro, Hardbass, Metalcore, etc. Klängen entgegengesetzt.

Sonic Frontiers Open World trägt eine – behaupte ich einfach mal – bewusste Traurigkeit und Tristesse in sich. Sie erzählt von untergegangenen Zivilisationen und Lebensräumen, vom Unbelebbaren. So wie es Open Worlds immerzu versuchen uns mit ihrer Maßlosigkeit zu beeindrucken, wird hier jedoch die Grenze zum Lebendigen überschritten und sie wird zu einem toten, grauen Ort. Deshalb verlassen wir gen Ende auch mit Freude diese Welt, diese Simulation eines Geschwindigkeitsdogmas. Jedoch nehmen wir ein neues Bewusstsein im Sinne der Bewahrung und Aufrechterhaltung mit nach Hause, in die gute alte Green Hill Zone – auf das wir zumindest diese zu schützen wissen, mit weniger Maßlosigkeiten und etwas mehr Lofi.

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