Schwer zu ertragen, wie ein Schulranzen – Death Stranding

Wir kennen sie alle. Diese Bürde. Wie trugen sie eine lange Zeit mit uns herum. Diese Last. Diese Schwere eines blockförmigen vollgestopften Schulranzens. Eine Last, die uns bis zur totalen Erschöpfung auf den Schultern lag. Sam Porter Bridges hat eine ähnliche Bürde zu tragen, nicht ganz so dramatisch, pathetisch, wie die unsere, aber doch eben eine Bürde. Er soll eine zerstreute und isolierte Gesellschaft wiedervereinigen. Er soll die USA, nun nur noch UCA – United Cities of America – wieder zu einem gemeinschaftlichen Netzwerk verbinden. Da sich die menschliche Gesellschaft nach dem apokalyptischen Phänomen des „Gestrandeten Todes“ zersplittet hat, welches eine Verknüpfung der Totenwelt mit der unseren ausgelöst hat, und somit die Grundfesten der unseren zum Erschüttern brachte. Die Organisation „Bridges“ setzt sich daran diesen problematischen Lebensbedingungen etwas entgegen zu halten, beauftragt Sam die verstreuten KolonistInnen aufzusuchen und in die Gemeinschaft aufzunehmen. Neben alldem ist er als legendärer Postbote auch für die Zustellung wichtiger Ressourcen und Hilfsmittel verantwortlich, muss die Spielwelt vereinen und versorgen. Bei diesem Vorhaben kreuzt Sam des Öfteren die Wege mit Paketdieben, Terroristen und übernatürlichen Kreaturen aus der Totenwelt. Doch diese stellen nicht einmal das größte Problem, das schwerste, dar. Es sind die Lieferaufträge, die Beschaffungen, dutzende Kilos an Rohstoffen, alten Büchern, oder Versorgungsmitteln, die möglichst unbeschadet an ihren Zielort getragen werden müssen, die uns als die größte Last aufgebürdet wird.

Seine Aufgabe, die Schwere, drückt auf ihn ein. Unermüdlich setzt er sie fort, er hat keine Wahl. Tag für Tag erträgt er sie. Die Momente der Ruhe, der Entlastung, der Schlaf, werden zu einem genüsslichen Ritual. Die Monster Energy Drinks, das Duschen, Toilettengänge, das reine auf dem Bett sitzen. Die Ruhepausen werden ausgiebig und langatmig zelebriert, animiert, als ob auch wir selbst diese Pausen benötigten. Dann beginnt es von vorn, der Pausenraum wird verlassen und die Lasten erneut geschultert. Sam wirkt nur allzu oft ermüdet, von dieser Welt, von seiner Aufgabe, sein Gemütszustand lässt sich leicht auf die der Spielenden übertragen. Erdrückt von dieser Schwere, durch Resignation gekennzeichnet. Ja, es ist wie damals, in der Grundschule. Manche hatten Eltern, welche ihnen diese Last abnahmen, sie wurden abgeholt von Fahrzeugen. Andere mussten diese Lasten selbst ertragen und lange Laufwege auf sich nehmen. In Death Stranding werden uns im Verlauf des Spiels zwar auch immer mehr Hilfsmittel, vor allem in Form von Transportfahrzeugen zur Verfügung gestellt, doch Straßen müssen erst wieder neu errichtet werden. Oftmals haben wir keine andere Wahl, als zu laufen. Keine andere Wahl als die Schwere zu akzeptieren, um menschliche Verbindungen herzustellen. Dort wo wir die Lasten mit uns hintragen knüpfen wir auch oft wertvolle menschliche Verbindungen, welche uns den Schulalltag erleichtern.

Auch wenn sich die Schwere kaum ertragen lässt, so ist es letztlich doch wert sie zu überwinden? Ein Übergang ins Transzendentale, ins Übernatürliche, könnte den Schmerz für einige lindern. Aber ist es jetzt wirklich notwendig in einer solch fortgeschritten digitalisierten Welt, wie der unseren, oder auch der in Death Stranding, solche teils unnötigen Lasten auf sich zu nehmen? Genügt denn nicht die bloße Verbindung zum Netzwerk? Warum tonnenweise alter Bücher, Disketten und solcherlei? Es ist, als ob es eine künstlich auferlegte Last wäre, aus der wir Lehren ziehen sollen. Sollen diese Lasten uns in Demut lehren? Und wäre das Grund genug, unsere Rücken, unsere Kraftskelette so kostspielig zu schänden? Besitzt diese Last wirklich noch eine legitime Daseinsberechtigung? Vielleicht schadet uns ein wenig Demut ja wirklich nicht, vielleicht baden wir zu oft in Bequemlichkeiten und Allmachtsfantasien, die uns nur allzu oft in diesem Medium dargeboten werden. Vielleicht gilt es tatsächlich, auch einfach mal die Schwere wertzuschätzen. Vielleicht gilt es durch Demut, oder eben auch durch Betäubung aufgrund stetiger Belastung, das Gefühl für die Schwere zu verlieren und sich letztlich, wie ein tonnenschwerer teerbedeckter Monsterwal, in der Schwerelosigkeit zu verlieren, in die Gedankenlosigkeit abzuheben, den Gestrandeten Tod zu besuchen. Die Schwere eines Schulranzens überdauert, selbst die Apokalypse.

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