Lebe den Moment. Oder lebe im Moment? Wie geht dieses esoterische wenig aussagende Sprichwort? In Twelve Minutes jedenfalls leben wir in einem Moment, immer wieder, immer wieder den einen Moment. Einen zwölf Minuten umfassenden Moment, einen dramatischen in potentiell sämtliche Richtungen lebensverändernden Moment. Für alle Teilnehmenden an diesem Moment, für die die diesen Moment leben, können wir die Ereignisse in diesem Spiel in diverse Richtungen verschieben. Doch was bedeutet das eigentlich? Ist das nicht eine Form des Betrugs, die Handlungsmacht über andere Personen zu beanspruchen? Und ist es auch ein Betrug an uns selbst?
An diesem kleinen Theaterstück nehmen im Wesentlichen zwar nur drei Personen teil, doch gibt es zwischen diesen eine Menge Aufklärungsarbeit zu leisten. So müssen wir als Spielende uns zunächst die vielen kleinen Details der Geschichte erschließen um im nächsten Schritt die für uns richtigen Entscheidungen zu treffen. Ein Paar, ein mysteriöser kahlköpfiger Mörder und die Wohnung des Paares bilden die für uns elementaren Interaktionsmöglichkeiten dieser Spielwelt aus. In dieser reduzierten Spielwelt lassen sich dann tatsächlich mehrere Stunden verbringen, bis man letztlich zu einem Spielende gerät. Wir spielen einen Protagonisten der dazu verdammt zu sein scheint die immergleichen zwölf Minuten zu durchleben. Zunächst betritt er die Wohnung und wird von seiner Freundin begrüßt, daraufhin haben wir die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wie wir die folgenden Minuten in der Wohnung verbringen wollen. Nach einer Weile jedoch, so will es das Gesetz dieser Zeitschleife, klopft ein vermeintlicher Polizist an unserer Tür. Dessen Intentionen sind uns zunächst unklar, doch diese Ereignisse sollen sich noch einige Male wiederholen. Denn der Cop bringt uns um, woraufhin sich die Zeitschleife neu startet. Nun liegt es an uns mit jeder Zeitschleife Neues zu erfahren und zu versuchen die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse zu verwenden, um die Geschehnisse umzulenken, um einen möglichen Ausweg zu forcieren. Doch was dieser Ausweg sein soll, ist uns nicht bekannt. Denn nicht nur der Tod setzt uns an den Beginn des Loops zurück, auch das Verlassen der Wohnung und andere Ausgänge dieser Geschichte als der Tod, führen uns zurück, so als schiene das Spiel etwas Bestimmtes von uns zu verlangen, einen spezifischen Ausgang. Wir werden gezwungen diesen Moment zu leben, es ist kein Ausbruch möglich, solange wir den Moment nicht „richtig“ leben. Die Esoterik hält uns gefangen. Wir müssen schon ein wenig reflektieren und verstehen lernen, um über diesen einen Moment hinaus zu leben. Um aus dem Moment auszubrechen.
Wir als Spielende sowie der Protagonist müssen viele Fehler machen, Missgeschicke und Untaten begehen, um die Möglichkeiten auszuloten und eines der „richtigen“ Enden zu erreichen, um den Loop zu verlassen – ohne jedoch zu wissen, wie eines dieser „richtigen“ Enden aussehen soll. Also begeben wir uns auf die Pfade der Manipulation, des Betrugs und vor allem des Selbstbetrugs. Wir sind nicht mehr zwingend wir selbst, denn wir wissen ja, dass diese 12 Minuten sich stetig wiederholen, also loten wir sämtliche Möglichkeiten aus, machen uns mit sämtlichen Perspektiven und Ausgängen vertraut. Auch an der Spielfigur, dem Protagonisten, äußert sich diese Spielart des Selbstbetrugs, wenn man letztlich an den Punkt stößt an dem sich seine große Lüge offenbart. Denn auch in der Handlung des Spiels selbst, erliegt der Protagonist den durch seinen Selbstbetrug erzeugten Lasten. Er webte sich ein Netz aus Lügen in dem er sein Umfeld und auch sich selbst einfing. Denn nur durch die Verdrängung des selbst angelegten Lügennetzes, konnte er dieses „richtige“ Leben im falschen überhaupt erst für sich rechtfertigen. Doch in diesen zwölf Minuten soll sich alles auflösen. Das Spiel macht den Selbstbetrug des Protagonisten spürbar, die eigene Lüge kann verkannt werden. Wir könnten auch einfach nach einem beliebigen Durchlauf den Stand der Geschichte so lassen wie er ist und das Leben im falschen akzeptieren. Oder wir spielen so lange, bis wir die Lüge durchschaut haben und zusehen wie der Protagonist komplett verfangen in seinem Lügennetz erwacht. Immerhin haben wir dann die Situation aufgelöst, den Selbstbetrug erkannt und das falsche Leben, welches sich als richtiges ausgab, überwunden.