Die Huddle-Up-Mechanik aus Marvel’s Guardians of the Galaxy – Zwischen Cringe und Swag

„Cringe“ ist das Jugendwort des Jahres. Steht dies im Zusammenhang mit einem gesteigerten gesellschaftlichen Bewusstsein für Selbstinszenierungen, die vielleicht einstig mal als locker leichter Swag empfunden wurden – und nun als der Cringe der sie sind, enttarnt werden? Es wäre begrüßenswert, wenn sich tatsächlich ein Bewusstsein in der breiten Gesellschaft dafür entwickelt hätte, den „falschen“ Swag, den Impostor Swag, zu entlarven. Nur ist es wie so oft mit der Beliebtheit, dass der Begriff „Cringe“ nun ebenso in inflationärem Maße angewandt wird und so in vielen Fällen and Bedeutung verliert oder sogar falsch angewandt wird, wie es vielleicht damals schon dem Swag wiederfuhr, welcher heute lediglich ein höchstens noch ironisch verwendetes Überbleibsel seines einstigen Selbst ist. 2011 frönte der „Swag“ selbst noch über seinen beneidenswerten Status als damaliges Jugendwort des Jahres, vermeintlich beneidenswert. Denn oftmals ist mit der Anerkennung dieser Auszeichnung, eher eine Aberkennung der Zugehörigkeit zum derzeitigen Zeitgeist, verbunden. Um zu einer gerechten Anwendung der beiden unter Hyperinflation zerstampften Begriffe zurückzukehren, gilt es zu den ursprünglichen Wortbedeutungen zurückzufinden und ihnen neuen Stolz zu verleihen! Cringe.

Beginnen wir zunächst mit der Einordnung einer Spielmechanik aus Marvel’s Guardians of the Galaxy. Den meisten dürfte die filmische Umsetzung der Guardians of the Galaxy Comics bekannt sein. Durch diese errangen sie große Beliebtheit und Zustimmung. Obwohl das Space-Setting, der Einsatz beliebter vergangener Popmusik und die absurden Figuren und Dialoge, doch reichlich Raum zum Scheitern bieten. Das Cringe-Potential war sehr hoch, doch die Umsetzung veranstaltete eine Gratwanderung zwischen Cringe und Swag. Und die meisten Kinobesucher:innen dürften diesen Balanceakt als gelungen empfunden haben. Die Musik wurde passend eingesetzt, das Setting aufwendig errichtet und die Figuren und Dialoge durften ihre Cringeness zelebrieren, wodurch sich diese in Swag umwandelte. Doch inwiefern lässt sich dieses Konzept nun in die Spieldimension überführen? Lizenzfragen müssen geklärt, eine eigenständige Geschichte will erzählt, und die Figuren wollen charaktertreu umgesetzt, werden. Nun, viel von dem gelingt der Spielumsetzung tatsächlich. Die Figuren mögen zwar nicht so aussehen, wie wir sie aus den Filmen kennenlernten, doch an ihren eigenständigen Charaktermerkmalen und Persönlichkeiten lassen sie sich nach wie vor gut erkennen. Die Spielwelt ist grafisch aufwendig, fantasievoll und bunt gestaltet, und die Figuren scheuen nicht davor ihre Abstrusität offen zur Schau zu stellen. Man könnte also meinen das Spiel ist in allen Belangen eine franchisegetreue Umsetzung. Doch wie sieht es eigentlich auf der spielmechanischen Seite aus? Konnte die Essenz der Guardians, der identifizierende Groove der Guardians, auch bewusst ins Spielerische übertragen werden?

Spielmechanisch ist es ein klassisches Action-Adventure mit kleinen Rollenspielelementen und einer Befehlsfunktion, um die Aktionen der Teammitglieder:innen oberflächlich festzulegen. Ein eigenständiges, charakteristisches Spielmerkmal besitzt Marvel’s Guardians of the Galaxy jedoch auch: Die Huddle-Up-Mechanik. Diese Mechanik fungiert in Kampfbegegnungen wie eine Form von klassischem Power-Up für das Team, nur das zusätzlich noch ein zufälliger Song aus Star-Lords Kassettenrekorder beginnt zu ertönen. Somit erhalten wir auch auf spielerischer Ebene Zugang zum charakteristischen und sorgfältig ausgewählten Soundtrack, welcher den Guardians vermutlich überhaupt erst zu solch popkulturellen Höhen verhalf. Doch wie genau wirkt sich diese Mechanik auf das Spielgeschehen aus? Es ist wie eine ultimative Fähigkeit, die sich während des Kämpfens auflädt und anschließend selbstbestimmt ausgelöst werden kann. Dies kann zu einem beliebigen Zeitpunkt inmitten eines Kampfes geschehen, wodurch sich dann gerne mal die Illusion eines in sich flüssigem Kampfgeschehens auflöst. Denn die Aktion unterbricht das Geschehen mit einer Zwischensequenz und einem intervenierenden Gespräch unterhalb der Guardians. Allerdings kann diese eigentlich abrupte Unterbrechung der Illusion auch wie eine kurze Auszeit beim Basketball interpretiert werden, was dieser Mechanik einen eigenen Charme und Sinn verleiht. Die Guardians berufen eine Auszeit ein, raffen sich neu zusammen, überdenken ihre Taktik, und überrumpeln ihre Feinde daraufhin mit neu gefasstem Elan, allegorisch dazu ertönt dann noch ein euphorisierender Song. Dass die Feinde, diese Auszeit einfach so hinnehmen, müssen wir als Spielende dann wohl auch einfach so hinnehmen, so besagt es das intergalaktische Regelwerk.

Schwanken wir nun eher in Richtung Cringe oder Swag, oder taumeln die Guardians irgendwo im Dazwischen umher? Wohl eher Letzteres, es ist eine durchaus sympathische Spielerfahrung, die eher in Richtung Swag taumelt, aber nicht vollkommen bewusst die Route dorthin findet, sondern eher zufällig daraufhin stolpert. Es sind die kleinen Momente, wenn das Huddle-Up gelingt, das Zusammenkauern der Guardians, wenn sie miteinander in Zank geraten, aber auch wenn sie alle harmonisch und gemeinsam zum Klang des Soundtracks ihrer Kampfeslustigkeit frönen. Generell, wenn wir an den Interaktionen der Guardians untereinander teilhaben dürfen, dann taumeln wir mit ihnen schon irgendwie entschlossen zum Bestimmungsort und alles fügt sich zusammen. Irgendwie entsteht dann tatsächlich so etwas wie Spielspaß und Sympathie. Wir bilden einfach einen Haufen, schmeißen die Musik und die Charaktere zusammen, sodass es am Ende gar nicht anders kann, als uns einen Schmunzler zu entlocken. Also, Huddle Up. Schließlich ist bald Weihnachten.

Titelbild: Cover von Matt Ralphs‘ Marvel’s Guardians of the Galaxy: The Art of the Game

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